Ereshkigal nimmt mich bei der Hand und lacht. So schutzlos und nackt wie ich nun bin nachdem ich alles abgelegt habe auf dem Weg zu ihr, zieht sie mich in dunkle Gänge und kichert leise vor sich hin. Immer noch bin ich nicht mit jeder Faser meines Körpers, meines Geistes, meiner Seele bereit ihr zu Folgen. Am liebsten würde ich mich losreißen und davon rennen, wieder zurück, in die vermeidliche Sicherheit, die nie eine ist, die doch nicht existiert. Nur Augenwischerei, Selbstbetrug. Denn Sicherheit, in der man sich gerne wiegt, gibt es nicht.
Mein Hirn weiß, dass ich nicht entkommen kann. Warum ist das nur so schwer zu akzeptieren? Ich muss Ereshkigal mitten in’s Gesicht schauen, und sie ist nicht das, was man schön oder angenehm nennen könnte. Sie fordert mich auf die Augen zu schließen, und ihr zu folgen. Aber da fehlt noch immer ein Stück Vertrauen. Und so muss ich dann doch wieder durch alle Phasen gehen, es mir unnötig schwer machen. (Ignorieren, Starre, Absturz, Aufprall, Strampeln,…..Einsicht des nicht ändern Könnens, Akzeptanz, Loslassen, und später…….Aufstieg und Heilung……). Ich folge ihr.
Sie führt mich in ein Labyrinth. Es ist kalt und dunkel. Die Wände sind hart. Ich hole mir blaue Flecke, Abschürfungen, Schnittwunden, Prellungen und Schmerzen. Ich kann meinen Körper kaum noch spüren. Aber sie zieht mich weiter. „Was ist los? Vertraust du mir etwa nicht?“, fragt sie mich. „Ich bin du, und du bist ich. Wir sind Eins.“
Von Zeit zu Zeit fordert sie mich auf die Augen zu öffnen. Und jedes Mal, wenn ich das tue, hat sie einen anderen Spiegel für mich bereit in den ich schaue. Oder eine Furchterregenden Maske mit verzerrtem Gesicht, die mich erschreckt.
„Was hast du eigentlich in den letzten Jahren gelernt? Zeig es mir!“, fordert sie mich auf.
Das, macht mir jetzt noch mehr Angst. Ich zittere, mag keinen Schritt mehr tun, mir nichts mehr ansehen oder anhören. Sie lacht und treibt es noch bunter. Verwirrt mich, schüchtert mich ein, beeindruckt mich und streut bewusst ein paar Lügen ein,…..die ich erkennen sollte…….
Aber die Maske der Lüge ist recht hübsch anzusehen. Sie ist freundlich, lächelt und erweckt Vertrauen. Sie verspricht Hilfe, die ich doch so dringend suche und brauche. Diese Maske der Lüge redet, wickelt mich ein, spielt ihre Erfahrung aus, appelliert leise, fast unmerklich an mein domestiziertes, angepasstes, erlerntes, übergestülptes Verhalten. „Gehorche.“, sagt sie. „Gehorche und folge. Ich stelle hier die Regeln auf. Du bist auf meinem Terrain. Gib die Verantwortung ab. Leg’ sie in meine Hände, so wie man es dir gelernt hat. Es ist doch so leicht und viel bequemer.“ Sie lächelt mich freundlich an, nimmt sogar meine Hand und drückt sie leicht. Ich bin beeindruckt. Ich versuche mit ihr zu reden. Ein freundliches Gespräch zu beginnen. Sie antwortet nicht, und lockt mich in eine dunkle Ecke, aus der es nun mehr kein Entrinnen zu geben scheint. Das erkenne ich jedoch viel zu spät. Dort stehe ich einer blitzenden, blinkenden, sicher verändernden Maske mit wirrem Ausdruck gegenüber. Die Maske der Lüge, macht mich mit der Maske der Verwirrung bekannt. Die setzt mir gewaltig zu. Bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Hinter mir schließen sich die Gänge. Ich weine. Halte mir die Hände vor’s Gesicht. So stark, wie ich zu sein glaubte, scheine ich doch nicht zu sein. Die Wände rücken immer näher. Ich bin verzweifelt. Kann nicht mehr entkommen. Ich brauche Hilfe. Denn allein, komme ich hier nicht mehr raus. Das wird mir immer klarer.
Ich rede leise vor mich hin, versuche meine Gedanken zu ordnen, mich zu beruhigen. Aber es gelingt mir nicht. Es wird alles nur noch schlimmer. Vor mir tut sich ein Abgrund auf. Der einzige Ausweg, um hier wieder raus zu kommen. Tausend Stimmen quasseln auf mich ein.
Ich will springen.
Im letzten Moment packt mich etwas bei der Hand und zieht mich zurück. Ein Helfer, den ich schon längst vergessen hatte, dem ich nicht zugetraut hatte, dass er mir uneigennützig zur Seite stehen kann. Ein karimscher Helfer, der mir wohl, für solche „Fälle“ zur Seite gestellt wurde. Während er mich zurück zu Ereshkigal führt reden wir laut miteinander. Kann ich ihm vertrauen?
Er versucht mir klar zu machen, wo sich bei mir Mängel und Fehler eingeschlichen haben. Ich glaube ihm nicht. Und ich denke zu bemerken, dass er vielleicht selber nicht so genau weiß, ob er richtig liegt mit dem, was er mir sagt. Gemeinsam hatten wir eine Lösung gefunden, als wir bei Ereshkigal angekommen waren.
Sie schaut nicht gerade zufrieden drein. Sie zischt mich an, spricht laut mit sich selbst während sie aufgebracht vor mir ihre Kreise zieht. Dann baut sie sie sich vor mir auf. „Du hast deine Prüfung nur mit einem „Spickzettel“ bestanden. Was soll ich nur mit dir tun?“
Wieder geht sie vor mir hin und her. Jetzt spricht sie leiser.
„Gut. Komm mit mir.“
Der Helfer bleibt zurück, und ich folge ihr.
Ganz unerwartet führt sie mich zu ihrem Schlafplatz. „Ruhe dich aus. Wir reden wenn du wieder aufwachst.“
„Du bist gefordert das Gelernte, deine Erkenntnisse umzusetzen, in dieses Leben, in deinen Alltag zu integrieren und dazu zu stehen. Dein vieles Wissen nutzt dir nichts, wenn du es nicht anwenden kannst.“, sagt sie mir als erstes, als ich die Augen wieder öffne. „Du bist immer noch zu feige, zu ängstlich, lässt dich einschüchtern, beeindrucken und verwirren. Am Ende stehst du vor einem Abgrund und brauchst Hilfe. Lerne dich durchzusetzen!“
Ich schaue sie nur an. Kann nichts sagen. Ich weiß, sie hat Recht.
Sie fragt mich nach meinen Gefühlen, meinem Bauchgefühl, den ersten Impuls.
„Du musst ihm vertrauen, deinem Instinkt, deinem Bauchgefühl, dem ersten Impuls vertrauen, und,…..vor allem ihm folgen, ohne darauf zu achten, was andere darüber denken könnten. In dem Fall musst du wirklich einfach nur handeln, und nicht so viel denken. Dein Hirn redet unablässig, wirft alles tausend Mal hin und her, verwirrt dich, lässt dich alten, erlernten Mustern folgen, und nicht „Dem“, was gut für dich ist.“
Sie bohrt weiter, fragt: „Was hast du gesehen? Welches Bild hattest du vor Augen? Das aller Erste.“, will sie wissen.
Ich erzählte ihr haargenau von diesem ersten Impuls, dem Bild, das ich dabei sah. Ich hatte es wahrgenommen, aber beiseite geschoben. Bin der Vernunft gefolgt, dem, was mir mein Hirn sagte.
„Das war falsch.“, sagte sie und drehte sich von mir weg. Ich merkte, sie war enttäuscht.
„Es tut mir leid.“, versuchte ich zu erklären.
„Das muss es nicht.“, sagt sie. Und plötzlich lächelt sie. „Ich verzeihe dir.“ Sie umarmt mich. „Aber bitte merke es dir. Hab’ keine Skrupel anderen Menschen gegenüber deine Meinung offen zu vertreten, dich durchzusetzen. Egal wer da vor dir steht, und wie wichtig er zu sein scheint, oder überzeugend er redet, dich einwickelt. Erkenne die Lüge, und vertrauen nicht jedem Fremden bedenkenlos. Nicht jeder meint es so gut mit dir wie ich. Schau ihn an mit deinem Herzen, und sieh wer er wirklich ist. Denn die nächste Prüfung kommt bestimmt……..schon bald……“